PRAVNI ZAPISI • Year I • No. 2 • pp. 364-389

MINDERHEITENSPRACHEN IN EINEM PROZESS IN SERBIEN

Language: German

Dr. iur. LLM (Freiburg) Bakić Nada
Rechtswissenschaftliche Fakultät Luzern, Schweiz, Switzerland

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Pravni zapisi, No. 2/2010, pp. 364-389

Original Scientific Article

DOI: 10.5937/pravzap1002364X

KEY WORDS
Amtssprachen; faires Verfahren; Identität; Minderheit; Minderheitensprachen; Personalitätsprinzip; Prozess; Sprache; Sprachenrecht; Territorialitätsprinzip; Übersetzung; Verfassung

ABSTRACT
In Serbien herrschen unklare verfassungsrechtliche Sprachenbestimmun- gen, eine sprachlich äußerst heterogene Bevölkerung und eine komplizierte gesetzli- che Ausgestaltung der Mehrsprachigkeit, welche eine große Rechtsunsicherheit zur Folge haben. Die Verfassungsbestimmungen bezüglich der Sprachen der Minderhei- ten sind sowohl inhaltlich als auch rechtstechnisch unglücklich formuliert. Bei einer Vielzahl dieser Bestimmungen sind große Anstrengungen nötig, um ihren Zweck und ihr Ziel zu erkennen, sie stimmig auszulegen und miteinander in Einklang zu bringen. In Serbien versuchte man, die gesellschaftliche Mehrsprachigkeit wirklich- keitsgetreu auf die institutionelle Ebene zu übertragen, was zur Folge hatte, dass komplizierte und kostenintensive Regelungen geschaffen wurden. Dadurch ist die institutionelle Ausgestaltung der Mehrsprachigkeit zu Ballast für den Staat gewor- den und bietet Konfliktpotenzial.

Die sprachliche Zusammensetzung der serbischen Bevölkerung ist kompliziert; dieser Umstand muss bei der Regelung der Mehrsprachigkeit berücksichtigt werden. Durch die Sprachnormen muss die sprachliche Situation institutionell vereinfacht werden, um ein ordnungsgemäßes Funktionieren des Staates trotz der sprachlichen Vielfalt zu ermöglichen – alle Sprachnormen müssen anhand abwägender Überle- gungen erfolgen.

Die neuen sprachenrechtlichen Vorgaben aus der Verfassung von 2006 müssen sich auf gesetzlicher Ebene widerspiegeln: Es muss die öffentlich-rechtliche Reichweite der Minderheitensprachen in bestimmten gesellschaftlichen Bereichen, wie dem Verwaltungsund Justizbereich bestimmt werden; die sprachlichen Interessen des Staates müssen genügend gewürdigt werden usw. Im Staat wird das schwache Terri- torialitätsprinzip durch das starke Personalitätsprinzip durchbrochen. Da mittels des Minderheitengesetzes alle anderssprachigen Bevölkerungsgruppen eine Anerke- nnung als Minderheit erfahren haben, stellt die gegenwärtige Verwirklichung des Personalitätsprinzips für den Staat eine nicht durch öffentliche Interessen zu rechtfertigende Belastung dar. Wegen der großen Zahl von sprachlichen Minderheiten, von denen manche nur eine sehr kleine Sprecherzahl haben, ist es notwendig, Vors- chriften zu erlassen, die den öffentlichen Gebrauch bestimmter Sprachen aufgrund des Personalitätsprinzips von der gesamtstaatlichen Größe der Minderheit abhängig machen. Damit wird nur eine bestimmte Anzahl von Sprachen für den Gebrauch vor Behörden aufgrund des Personalitätsprinzips zugelassen. Im serbischen Minder- heitenschutzsystem muss ein rechtliches Gleichgewicht zwischen dem Territoriali- tätsund dem Personalitätsprinzip und damit ein für den Staat tragbares Konzept des sprachlichen Minderheitenschutzes gefunden werden.